5 Tage im Dschungel in der Sierra Nevada Kolumbiens, das war der Plan, von welchem wir schon ein wenig Respekt hatten. Natürlich haben wir verschiedene Blogs gelesen um uns psychisch darauf vorzubereiten, jedoch hat uns dies mehr verunsichert als geholfen. Ist unsere Kondition gut genug um bei 35 Grad jeden Tag 7-8 Stunden zu wandern? Werden wir es bis zur verlorenen Stadt schaffen? Was nehmen wir alles mit bzw. auf was können wir verzichten?
Trotz den offenen Fragen, beschlossen wir die Zähne zusammen zubeissen und es durchzuziehen. Spoiler: Es hat sich mehr als nur gelohnt!
Bevor das Spektakel beginnen konnte, war jedoch ein negativer Covid-Test erforderlich: Entweder einen Antikörpertest (der überhaupt nichts über eine momentane Infektion aussagt) oder einen PCR Test. Da der Antikörpertest etwa vier Mal günstiger war und man das Ergebnis innerhalb wenigen Stunden erhielt, fiel uns die Entscheidung relativ einfach. Natürlich nützte der Test genau gar nichts, im Gegenteil: wäre er positiv gewesen, hätte das geheissen, dass eine Coronainfektion bereits in der Vergangenheit überstanden wurde. Naja die Massnahmen sind ja bekanntlich überall auf der Welt zum Teil mehr als fragwürdig. So auch die Temperaturmessung am Handrücken oder am Oberarm, welche hier bei jedem Eingang (Restaurant, Hotel, Supermarkt, Bus, ect.) durchgeführt wird, machen für mich überhaupt keinen Sinn. Hätte ich wirklich eine Körpertemperatur von 31 Grad, wäre Corona mit Sicherheit mein kleinstes Problem.
Tag 1:
Nachdem man uns im Hostel abgeholt und wir die Rechnung im Büro der Touragentur beglichen hatten, ging es mit einem Offroader ins drei Stunden entfernte Dorf Mamey. Dort genossen wir ein herrliches Mittagessen bevor dann der erste steile Aufstieg begann. Unsere Gruppe bestand aus 5 Kolumbianer in unserem Alter und zwei Guides. Normalerweise würden zu dieser Zeit (Hochsaison) über 200 Menschen täglich diesen Trek auf sich nehmen, doch dank Corona waren es an diesem Tag nur knapp zwanzig. Schon ziemlich bald liess uns die Sonne im Stich und es fing in Strömen an zu regnen. Damit unsere Wechselkleidung in den Rucksäcken nicht komplett nass wurden, wickelten wir sie mit Abfallsäcken ein, was relativ gut klappte. Durch den starken Regen verwandelten sich jedoch auch die Wege in Bäche und wir zweifelten, ob der Rest der Gruppe es mit ihren Turnschühchen überhaupt bis ins erste Camp schaffen wird. Um so schnell wie möglich ins Trockene zu gelangen, liessen wir die Gruppe und die Guides hinter uns und wateten durch den Schlamm, bis wir um fünf Uhr abends endlich unsere Bleibe für die erste Nacht fanden. Bevor wir das Camp genauer unter die Lupe nahmen, wollten wir uns unbedigt von der dreckigen und nassen Kleidung befreien. In der Hoffnung, dass sie wenigstens ein wenig über die Nacht trocknen wird, hängten wir sie an die Wäscheleine. Anschliessend gönnte ich mir eine Dusche, welche zwar eiskalt, dennoch sehr wohltuend war. Nachdem der Rest nach und nach im Camp eingetrudelt war, wurde uns das Abendessen serviert. Wir waren höchst überrascht, wie gut das Essen schmeckte, da wir uns eigentlich auf eine tägliche Reis-Bohnen-Mahlzeit eingestellt hatten. Sogar einen Schoggidessert gab es, bevor wir uns dann erschöpft in ein Bett im Massenlager fallen liessen.
Tag 2:
Pünktlich um 5 Uhr am Morgen gingen die Lichter an und wir wurden zum Aufstehen animiert. Die erste Nacht war erholsamer als gedacht und so fanden wir uns ziemlich bald beim Frühstückstisch ein. Wie bereits befürchtet, konnte die Kleidung auf Grund des feuchten Klimas kein bisschen trocknen. So mussten wir Wohl oder Übel wieder in die ekligen, nassen Hosen und Schuhen reinschlüpfen. Meine grösste Angst vor der Wanderung war tatsächlich, dass meine Schuhe einmal richtig nass werden und ich eine Blase bekomme: Dass die Schuhe niemals trocken sein werden und dass meine Füsse mehr Blasen als gesunde Haut haben werden, wusste ich bis dato noch nicht. Zum Glück nicht!
Die trockenen Socken, welche ich mir an diesem Morgen gönnte, waren mehr als verschwendet, da wir bereits 5 Minuten nach Wanderstart den ersten Fluss überqueren mussten und bis zu den Knien im Wasser standen. Nichtsdestotrotz waren wir froh über diese Erfrischung, da die Sonne bereits am Morgen auf uns runter brannte und es bis zum "Znüni" nur bergauf ging. Nach ein paar saftigen Melonenstücken ging der Weg "kolumbianisch flach" (also auf und ab) weiter, bis wir am Dorf der Mutanzhi vorbeikamen. Die Bauweise der Hütten, mit ihren runden Lehmwänden und den Strohdächern erinnerte mich stark an Afrika, die Bewohner jedoch eher weniger. Während man in Tansania von den Kindern herzlich begrüsst und begleitet wird, waren diese hier sehr scheu und versteckten sich gleich in ihren Häusern sobald sie Touristen erblickten. Auf dem gesamten Wanderweg, kommt man immer wieder an Kokapflanzen vorbei und Michael konnte es natürlich nicht lassen und musst sich ein Blatt in den Mund stecken. Die Erklärung unseres Guides, dass sich der Effekt der Kokapflanzen (unendliche Energie und kein Hungergefühl) sich erst nach einem speziellen Trocknungsprozess zeigt und das Kauen eines frischen Kokablattes zu Durchfall führt, kam für ihn ein paar Stunden zu spät.
Nach 4,5 Stunden erreichten wir dann das Camp 2, bei welchen wir zuerst einmal in den Fluss hüpften bevor uns das Mittagessen serviert wurde. Gestärkt ging es anschliessend weiter, in Begleitung zweier Hunde, welche uns seit dem Start in Mamey nicht von der Seite wichen (könnte wahrscheinlich daran liegen, dass Michael immer wieder, natürlich aus Versehen, Essen auf den Boden fallen liess). Die Hunde ersetzten zudem auch unseren Guide, da dieser hauptsächlich hinter uns herrannte anstatt zu führen. Da dies seine erste Wanderung seit 10 Monaten war (vor Corona hat er diesen Trek wöchentlich gemacht), war er komplett zerstört und bat uns immer wieder um Pausen. Unsere Energie schien grenzenlos zu sein und wir liessen den Rest der Gruppe weit hinter uns. Besonders stolz war ich auf Michael, der seit seinem Geburtstag rauchfrei ist und ein Tempo hatte, welches ich noch nie zuvor bei ihm erlebt hatte. Auch er war ziemlich aus dem Häuschen, als er in den Genuss der Leistung einer gesunden Lunge kam. Es machte so richtig Spass!
Auf dem Weg zum Camp 3, in welchem wir unsere zweite Nacht verbrachten, hatte Michael sogar noch Zeit um Freundschaft mit zwei Soldaten zu schliessen. Er hatte nämlich die Mütze des einen gefunden und mitgenommen und ihm somit einen erneuten Abstieg und Aufstieg erspart.
Die Nacht im Camp 3 jedoch war eine absolute Katastrophe. Die Betten waren feucht, es war kalt, Moskitos frassen uns buchstäblich auf und die Tasse Kaffee, welche ich zum Aufwärmen trank, liess mich die ganze Nacht nicht schlafen.
Tag 3:
Völlig zerstört wurden wir wieder um 5 Uhr morgens geweckt und schlüpften in die nasse Kleidung. Heute war der Tag der Tage: Der Aufstieg zur Ciudad Perdida stand auf dem Programm. Bevor wir uns jedoch an den Aufstieg der 1200 Treppenstufen zur verlorenen Stadt machen konnten, mussten wir zuerst einmal einen Fluss überqueren, was auf Grund der Strömung gar nicht so einfach war.
Die Ruinen der Stadt waren einfach unglaublich und viel grösser als wir sie uns vorgestellt hatten. Sie besteht nämlich aus unzähligen Terrassen und Sektoren, sodass man sie gar nicht auf einer Aufnahme festhalten kann. Drei Stunden hatten wir Zeit um das Gelände zu erkunden, Fotos zu machen und den magischen Ort zu geniessen, bevor es wieder zum Camp 3 zurück ging. Dort erfrischten wir uns vor dem "Zmittag" nochmals im eiskalten Fluss und versuchten unsere Wanderschuhe in der heissen Mittagssonne zu trocknen. Um 1:30 ging es dann wieder den gleichen Weg zurück zum Camp 2.
Tag 4:
Da wir uns keine weitere Nacht im Dschungel antun wollten und wir uns immer noch relativ fit fühlten, entschieden wir uns die letzten beiden Etappen an einem Tag zu machen. Da die fünf Kolumbianer bereits von Anfang an eine 4 Tagestour geplant hatten, kam dies auch unseren Guides gelegen. Zwei unserer Gruppe waren jedoch völlig am Ende und "mieteten" sich Maultiere, welche sie nach Mamey brachte. Anfangs ging es sehr gut voran, doch nach dem "Znüni" musste ich schon richtig kämpfen. Da ich seit dem zweiten Tag mit Magenbeschwerden zu kämpfen hatte und das Essen nicht wirklich lange im Körper behalten konnte, merkte ich dass meine Energie mehr und mehr schwindet. Nichtsdestotrotz waren wir eine Stunde vor allen anderen am Ziel und waren richtig stolz auf uns, wie wir das gemeistert hatten. Unsere Füsse waren zwar völlig zerstört und wir spürten jeden Muskel in unseren Beinen, doch diese Schmerzen nahmen wir gerne in Kauf.
Es war ein einzigartiges Erlebnis und mit Sicherheit das Highlight unsere Kolumbienreise!
Gerade diese über 50 kilometerlange Trekkingtour über steile Hügel und Flüssen hat wieder gezeigt, wie unterschiedlich doch die Selbsteinschätzungen in den verschiedenen Kulturen sind. Während sich die Kolumbianer von Anfang an einen 4-Tages-Trek mit Turnschuhen zutrauten, zweifelten wir daran, ob wir diese Wanderung mit guten Trekkingschuhen plus Ersatzschuhen im Gepäck überhaupt in 5 Tagen schaffen werden. Klar mussten auch wir unsere Komfortzone verlassen und kamen kräftig ins "Schnaufen", doch trotzdem denke ich, dass wir zukünftig ruhig mehr an uns glauben dürfen und unsere, zum Teil übertriebenen, Selbstzweifel beiseite legen sollten.
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